Validation und Musik

Diese Seite enthält grundlegende Informationen zum Thema Validation sowie zur validierenden Haltung beim gemeinsamen Musizieren. Beispiele für Anke Feierabends valdierende Haltung im Unterricht mit Sigrid Schmidt sind unter dem Menütitel „Unterricht“ zu finden.

Validation

Validation ist eine ganzheitliche Kommunikationsmethode der auf Aufmerksamkeit basierten Pflege und Betreuung desorientierter Menschen. Sie bezeichnet eine Haltung im Umgang mit demenziell veränderten Menschen, die mit dem deutschen Wort „wertschätzend“ beschrieben werden kann (vgl. französisch „valide“ und englisch „valid“ = gültig; von lateinisch „valere“ = wert sein, taugen). Eine validierende Grundhaltung gegenüber Demenzerkrankten bedeutet, auch unpassende und realitätsferne Aussagen und Handlungen als für sie gültig und richtig zu akzeptieren (= zu validieren).

“Validieren heißt, den (alten) Menschen in seiner Desorientiertheit dort aufzusuchen, wo er sich gerade innerlich mit seinen Gefühlen befindet, seine Realität zu respektieren, ihn in seinem Verhalten und seiner Persönlichkeit gelten zu lassen. In den Schuhen des anderen gehen impliziert einen Perspektivwechsel – ohne zu analysieren, ohne zu bewerten, ohne zu interpretieren – , ein Einfühlen in die jetzigen Empfindungen der anderen Person. Dies gibt dem Betroffenen Stärke und Sicherheit und damit seine Würde zurück. “

Heidrun Tegeler, Validation-Master, ausgebildet von Naomi Feil

Die Methode der Validation wurde um 1970 von der deutsch-amerikanischen Gerontologin Naomi Feil (*1932) entwickelt. Sie geht von dem Grundsatz aus, dass alte, desorientierte Menschen das Recht haben, so zu sein, wie sie sind, und verfolgt damit eher einen psychosozialen als einen medizinisch-technischen Ansatz. Der Mensch ist in seiner Gesamtheit zu betrachten, nicht nur der Zustand seines Gehirns, um die Gründe für sein Verhalten zu begreifen. Empathie, Sensibilität und Feinfühligkeit bilden die Grundhaltung der Validation, die als Methode erlernbar ist.

Publikationen von Naomi Feil und zum Thema Validation finden Sie unter "Literatur"

Im Gegensatz zum defizitären „Krankheitsbild“ Demenz geht Naomi Feil davon aus, dass es einen Grund hinter jedem noch so unpassenden Verhalten von desorientierten Menschen gibt. Unsere Aufgabe ist es, die Bedürfnisse der Betroffenen zu erkennen und zu verstehen, bei deren Erfüllung zu unterstützen und durch einfühlsame Begleitung das scheinbar unangemessene Verhalten zu verwandeln.

Oft sind es menschliche Grundbedürfnisse, die im Moment nicht erfüllt werden oder in früheren Lebensphasen verwehrt wurden, z. B.:

• Anerkennung

• Status

• Identität und Selbstwert

• gebraucht werden und produktiv sein

• sich geliebt und geborgen fühlen

• sich sicher fühlen

Naomi Feil benutzte oft Lieder und Musik, um desorientierte Menschen zu erreichen und Grundbedürfnisse zu befriedigen. Zum Beispiel kann ein Kirchenlied oder ein Schlaflied, das die Mutter früher gesungen hat, Gefühle von Geborgenheit und Sicherheit hervorrufen. Beim gemeinsamen Musizieren fühlen wir uns produktiv und gebraucht, und unser individueller Musikgeschmack ist Teil unserer Identität. Menschen, die im Alltag ihre Defizite spüren, können beim Musizieren in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt werden und über noch vorhandene musikalische Fähigkeiten und möglicherweise sogar im Austausch von Fachwissen über Musik Anerkennung bekommen.

In Deutschland hat die Psychogerontologin Nicole Richard die Validation weiterentwickelt zur Integrativen Validation (IVA). Diese beinhaltet ein einheitliches Vorgehen, eine gleichbleibende Methodik, unabhängig vom Ausprägegrad der Krankheit. Biografisch begründete Lebensthemen werden mit einbezogen. Die Prinzipien der Integrativen Validation sind: Normalität, Verallgemeinerung der Kommunikation, Agieren vor Reagieren, Kommunikation vor Funktion.

Zwei der zehn Grundsätze der Validation nach Naomi Feil gelten auch für die Integrative Validation nach Nicole Richard:

– Schmerzliche Gefühle, die ausgedrückt, anerkannt und von einer vertrauten Person validiert werden, werden schwächer. Schmerzliche Gefühle, die man ignoriert und unterdrückt, werden stärker.

– Einfühlung/Mitgefühl führt zu Vertrauen, verringert Angstzustände und stellt die Würde wieder her.

Validierende Haltung beim Musizieren

Im Instrumentalunterricht mit demenziell veränderten Personen kann es vorkommen, dass die Schülerin oder der Schüler immer wieder ein bestimmtes Lied anstimmt oder spontan in ein anderes Lied wechselt, also die Anweisung der Lehrkraft nicht befolgt. Dieses scheinbar unangemessene Verhalten kann in der Realität der Demenzerkrankten passend und sinnvoll sein. Es gibt berechtigte Gründe dafür.

Der häufigste Grund für spontane Liedwechsel im Unterricht ist eine Liedsequenz, die ebenfalls genau so oder sehr ähnlich in einem anderen Lied vorkommt, das der Schülerin oder dem Schüler vertraut ist. Dies kann dazu führen, dass plötzlich dieses andere Lied in der Erinnerung auftaucht und entsprechend sofort auf dem Instrument weitergespielt wird, so dass eine Art Potpourri entsteht.

Ein weiterer Grund: Das stets wiederholte Lied könnte eine Situation in der Vergangenheit repräsentieren, in der die Person in ihren Grundbedürfnissen nicht befriedigt wurde. Durch Fragen oder Vorschläge könnte die Lehrkraft versuchen, mehr über die biografischen Umstände herauszufinden und der Person damit bei der Aufarbeitung helfen. Das sollte jedoch sehr feinfühlig geschehen, um damit keinen unnötigen Stress auszulösen.

Oder es gibt spieltechnische Gründe für das „falsche“ Lied, weil es im Körpergedächtnis gespeicherte Bewegungsabläufe abruft, die für die Unterrichtssituation gerade sehr passend sind. Dann hat die Schülerin oder der Schüler also unbewusst das Richtige getan, ohne es in Worten ausdrücken zu können. Ungewohnte Spielweisen oder vermeintlich falsche Lieder sind im Instrumentalunterricht also immer eine Chance, das aktuell Wahre und Richtige zu finden.

Auch wenn Personen beim gemeinsamen Musizieren wiederholt dieselben Klänge produzieren oder dieselben Sätze sprechen, können diese Aktionen Hinweise auf konkrete Situationen in ihrem Leben sein oder allgemein ihre Unruhe und Unsicherheit zum Ausdruck bringen. Die Lehrkraft sollte stets einfühlend (validierend) darauf eingehen.

Weitere musikalische Methoden bei scheinbar unpassendem und/oder auffälligem Verhalten

Das Aufgreifen musikalischer und nicht musikalischer Äußerungen als musikalisch

Wenn ein Mensch ununterbrochen mit der Ferse auf den Boden klopft, können wir dies als Metrum für das gemeinsame Musizieren auffassen. Damit ist der Person in ihrer Unruhe oder in ihrem Bedürfnis vielleicht nicht geholfen, aber das Verhalten bekommt einen musikalischen „Sinn“, und dies wird von Demenzerkrankten oft als positiv empfunden.

Musikalischer Dialog (Improvisation):

Vielleicht entsteht aus dem intuitiven Spiel eine gemeinsame Improvisation mit der Lehrkraft, bei der die Schülerin oder der Schüler ihre/seine Gefühle zum Ausdruck bringen kann.

Spiegelung

Oft hilft es, das Verhalten der demenziell veränderten Person zu spiegeln, also wie ein Spiegelbild zu imitieren. Diese sozialtherapeutische Methode kann auch in musikalischen Situationen helfen, die Gefühle der Demenzerkrankten nachzuempfinden, und es kann ein gemeinsames Musizieren oder Tanzen daraus entstehen. Beim Violinunterricht mit Sigrid Schmidt spiegelt die Lehrerin Anke Feierabend zum Beispiel stets die Strichrichtung ihrer Schülerin: Auch wenn sich ein Aufstrich für den Auftakt eines Liedes anbieten würde, beginnt Frau Schmidt stets mit dem Abstrich und Frau Feierabend gleicht ihre Strichrichtung an, damit Schülerin und Lehrerin quasi wie ein Spiegelbild streichen und die Schülerin dadurch Sicherheit vermittelt bekommt.

Spiegelbildliche Bewegungen beim Auf- und Abstrich werden beschrieben im Kapitel "Valdierende Haltung".

(Instrumental-)Begleitung

Wenn eine demenziell veränderte Person auf einem Instrument auf ihre ganz eigene – für uns auf den ersten Blick unpassende – Weise musiziert und nicht damit aufhören möchte, dann kann die Lehrkraft versuchen, eine Begleitung dazu zu improvisieren oder ein Lied zu singen, das dazu passen könnte. Auch so entsteht eine musikalische Interaktion, die der Person vielleicht gut tut.

Musik transportiert Emotionen und Erinnerungen und kann deshalb ein Schlüssel zur Biografie eines Menschen sein. Im gemeinsamen Musizieren oder Hören von Musik können wir vergangene Zeiten vergegenwärtigen. Demenzerkrankte erhalten dadurch die Möglichkeit, Erlebnisse ihrer Vergangenheit noch einmal nachzufühlen, sich damit auseinanderzusetzen oder sich auch einfach “nur” daran zu erfreuen.